|
Zum Verhalten vor Gericht
Für Kollegen und solche, die es werden wollen
Dipl.-Ing. H. Kropp
Das "Wahrnehmen" eines "Termins" vor Gericht gehört zu den normalen Pflichten
eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen, gleichwohl sind
einige Tipps angebracht.
-
Eigentlich selbstverständlich: Versuchen Sie stets, den Gerichtstermin
einzuhalten. Sagen Sie dem Gericht aber sofort Bescheid, wenn das absolut
nicht geht und bieten Sie von sich aus gleich mehrere Ersatztermine
(Tipp: gleicher Wochentag!) an.
-
Lesen Sie sich unmittelbar vor dem Termin Ihr Gutachten und Handakten nochmals
durch. Es wäre peinlich, wenn Sie vor Gericht nicht mehr genau wüssten, was Sache
ist. Viel soveräner wirken Sie, wenn Sie antworten können: "Das steht in meinem
Gutachten unter 2.3.5!"
Die benötigte Zeit können Sie ohne weiteres als Terminsvorbereitung abrechnen.
Sollten Sie dazu mehr als etwa 2 Stunden brauchen, sagen Sie es vorher dem
Gericht.
Vergessen Sie nicht Ihre Akten und, ganz wichtig, die Terminsladung mitzunehmen.
Aufgrund Erfahrung rate ich Ihnen, mit einem dunklen Anzug und passender Kravatte
zu erscheinen. Ich konnte damit jedesmal noch einen deutlichen "Respektszuwachs"
feststellen. So eine Bekleidung ist m.E. auch im Zeitalter der "Convenience" vor
Gericht vorteilhaft, zu anderen Gelegenheiten mag man da heute anders denken.
-
Planen Sie die Anreise so, dass Sie mindestens eine halbe Stunde vorher vor Ort
sind. Vor allem dann, wenn Sie das Gericht noch nicht kennen. Dann kann es
Ihnen z.B. nicht passieren, dass Sie verzweifelt Saal 123 suchen, weil bei Saal
122 Ende ist und Saal 123 in einem nicht ausgezeichneten Nebentrakt liegt.
Sie wären dann der Einzige der "Party", der zu spät kommt.
Zurück nach oben
-
Vor dem Saal gibt es fast immer einen Aushang mit den Terminen des Tages. Sehen
Sie sofort nach, ob Ihre Ladung mit dem Aushang übereinstimmt. Ist das nicht der
Fall, gehen Sie nicht zum Portier, sondern zur Geschäftsstelle (die Nummer geht
aus dem Aktenzeichen hervor) und fragen Sie nach.
Vielleicht wurde der Termin inzwischen sogar aufgehoben, weil sich die Parteien
unerwartet geeinigt haben und Sie können gleich nach Hause fahren und die
Rechnung schreiben. Oder der Termin musste kurzfristig in einen anderen Saal
verlegt werden.
-
Begrüßen Sie selber vor Ort aktiv keine Prozessbeteiligten, da man Ihnen das als
Befangenheit auslegen könnte. Setzen Sie sich lieber etwas beiseite, wenn Sie
warten müssen. Die Vorstellung Ihrer Person macht ohnehin das Gericht.
-
Wenn Sie den Saal betreten, setzen Sie sich am besten zuerst dorthin, wo sonst
die Zuhörer sitzen und nicht gleich "in die Mitte".
Zwar sitzt der Sachverständige meist in der Mitte, vor sich den Richter,
rechts und links die Parteien. Es könnte aber sein, dass der Richter erst die
Zeugen hören möchte (die dann dort in der Mitte sitzen) oder der Richter
möchte zuerst "in den Sachstand einführen" und braucht dazu andächtige
Zuhörer, und verweist Sie, bis es soweit ist, auf die Zuschauerbänke, was
peinlich wäre.
Es könnte aber auch ganz anders sein, dass der Richter Sie bittet, neben ihm
Platz zu nehmen oder, was auch schon vorkam, Sie bittet, das Protokoll zu
führen (!). Daran ist nichts ungesetzlich, weil der Sachverständige der
"Gehilfe des Gerichts" sein soll, und das ist weit auszulegen.
Betrachten Sie das als besonderes Wohlwollen des Gerichts Ihnen gegenüber
und nicht als unanständiges Ansinnen.
-
Lassen Sie sich nicht durch die Anwälte der Parteien provozieren.
Bleiben Sie stets "souverän", aber nicht abweisend. Besonders beliebt
bei Anwälten sind z.B. persönliche Attacken ("Haben Sie zu diesem Thema
überhaupt schon Gutachten erstellt?" oder "Wie lange wollen Sie eigentlich
noch gutachten?") oder Fragen rechtlicher Natur (die Sie nicht beantworten
dürfen).
Fragen Sie dann ruhig den Richter, ob Sie solche Fragen beantworten müssen.
Auch Fragen wie "Benutzen Sie Textbausteine für Ihre Gutachtenserstellung?"
brauchen Sie nicht zu beantworten.
Zurück nach oben
-
Torpedieren Sie um Himmels willen keine Versuche des Gerichts, zu einem Vergleich
zu kommen. Es kann sein, dass Sie nach der Protokollierung Ihrer Personalien
kein einziges Wort mehr reden müssen (und dürfen), weil es dem Richter nur
mehr um die Einzelheiten des Vergleichs geht.
Auch wenn Ihr Gutachten ganz eindeutig der einen Partei die volle Schuld zuweist,
dürfen Sie die Vergleichsbemühen nicht durch den Zwischenruf "Aber ich habe doch
festgestellt..." beeinträchtigen.
Der Sachverständige soll Fragen beantworten, plädieren dürfen nur die Anwälte.
Auch in obigem Fall darf das Gericht einen Vergleich vorschlagen; seien Sie
deswegen nicht in Ihrer Ehre als Sachverständiger gekränkt; wenn Sie entlassen
werden, gehen Sie nach Hause und schreiben Sie die Rechnung. Denken Sie daran:
Vor Gericht bekommt man nicht "Recht", sondern ein Urteil. Oder einen Vergleich.
Es ist für Sie wichtig zu wissen: Dem Gericht kommt es nicht darauf an, möglichst
viele Verurteilungen auszusprechen, sondern in der gleichen Zeit möglichst viele
Verfahren abzuschließen. Ein Abschluss per Vergleich enthebt den Richter der Pflicht,
ein Urteil zu schreiben, er erspart sich eine Menge Arbeit.
Und dazu sind Sie als "Gehilfe" oder als "Schreckgespenst" des Gerichts da.
Werden Sie vom Vorsitzenden "entlassen", was dieser zu protokollieren hat, gehen Sie
möglichst sofort. Es hat kaum Sinn, als Zuhörer zu warten, "wie die Sache ausgeht".
Außerdem könnten einem der Parteienvertreter noch dumme Fragen in den Sinn kommen,
mit denen Sie nicht gerechnet haben, und "weil Sie ja noch da sind" (obwohl entlassen),
bekommen Sie Probleme.
-
Versuchen Sie es erst gar nicht (auch nicht bei dringendem Bargeldbedarf, dafür
gibts Alternativen), Ihre Sachverständigenentschädigung sofort nach Terminende
in bar zu kassieren. Oft müssen Sie erst langwierig die Kasse suchen und dann
ist die Kasse geschlossen.
Merke: Mit dem Kostenbeamten (meist hinter der Glasscheibe gut vor Ihnen
geschützt!) sollten Sie sich nach dem Termin erst gar nicht in eine Diskussion
verwickeln lassen.
Sie zahlen nur drauf, können die Abrechnung des Kassierers nicht nachvollziehen
und haben nachher womöglich auch keinen Beleg. Dass Sie trotzdem diese Einnahme
ordnungsgemäß verbuchen müssen, ist Ihre Pflicht. Merke: Manche Gerichte schicken
von jeder Auszahlung von sich aus eine Kontrollmitteilung an Ihr Wohnfinanzamt!
Zurück nach oben
-
Daher: Suchen Sie zu Hause alle Belege in Ruhe zusammen, rechnen Sie zu Hause in
aller Ruhe ab, und schicken Sie die Rechnung gleich ans Gericht.
Denken Sie an die alte Kaufmannsregel: sofort fakturieren!
Dass Sie für Ihren Auftritt vor Gericht denselben Stundensatz und Berufszuschlag
wie bereits für die Gutachtenserstellung einsetzen können, ist inzwischen durch
mehrere Entscheidungen geklärt.
-
Von einem Vergleich bekommen Sie keine Urteilsabschrift. Falls ein Urteil
ergangen ist, können Sie versuchen, eine Kopie für Ihre persönliche Auswertung
per schriftlichen Antrag ans Gericht zu bekommen.
"Automatisch" bekommen Sie nie das Urteil, oft auch nicht, wenn Sie das schon
vorher auf dem entsprechenden Fragebogen angekreuzt haben. Besonders in
Strafsachen sind die Gerichte da sehr zurückhaltend, versuchen Sie es aber
trotzdem.
Manchmal müssen Sie auf Ihre Abschrift sehr lange warten; geht das Verfahren
in die nächste Instanz, gibts oft gar keine Urteilskopie für Sie.
Und noch eines: Manche Gerichte erwarten für die Urteilskopie den ensprechenden
Kostenersatz, rechnen Sie also mit einer "Rechnung".
|
|